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Predigt vom 20. März 2011

1. Runde – „spielerische Predigt“: „Gott spielt mit Walfischen“

Spielen und Gottesdienst – wie gehört das zusammen? Spielen und Gott – sind das nicht Gegensätze? Spielen und christlicher Glaube – wo ist da der Zusammenhang?
Wenn wir uns Fragen solcher Art stellen, dann hilft mir als Pfarrer, als Christ der Blick in die Bibel.
Oh je: Fehlanzeige! Spielen, das kommt kaum in der Bibel vor. Es ist kein Thema in der Bibel. Wenn „spielen“ in der Bibel vorkommt, dann ist es das Spielen von Musik, von Instrumenten. Aber Spiele spielen? Doch dann habe ich eine Bibelstelle gefunden, einen wunderbaren Satz:
„Gott schuf die Walfische, um mit ihnen zu spielen.“ Ps 104,26


Ist das nicht ein wunderbarer Gedanke?! Die größten Säugetiere der Welt sind von Gott geschaffen, einfach zum Spielen! Gott selbst ist ein Spieler, ja er ist der erste, große Spieleerfinder.
Die Welt ist sein Spielfeld, sein großer Spielraum;
seine Geschöpfe, auch wir Menschen sind seine Mitspieler.
Der bengalische Dichter Rabindranath Tagore hat diesen Zusammenhang einmal in einem besonderen Satz formuliert: „Gott ehrt uns, wenn wir arbeiten; aber er liebt uns, wenn wir spielen.“



Gott hat uns mit Spielraum geschaffen, mit einem Spielraum, der nicht gebunden ist an Sinn und Zweck. Gott hat uns mit Spielzeit geschaffen, mit einer Spielzeit, die nicht gebunden ist an Leistung. Nehmen wir zum Beispiel den Sonntag. Es ist ein Tag in der Woche, der frei bleibt von Arbeit, von Zwängen, von einem bestimmten Zweck. Er bleibt frei für Gottesdienst und Gebet, für Familie und auch fürs Spielen!





Und Gott spielt mit. Mit ihm als Mitspieler kann das Leben gelingen. Er verleiht uns immer wieder Kraft und neue Hoffnung, neue Ideen fürs Spiel des Lebens.
Gott spielt mit Walfischen – wir spielen hier in der Kirche.



Die Kirche ist sozusagen unser Ozean, die Spielfelder sind die Wellen, die Spielfiguren die Walfische, und Gott schaut von oben zu. Und ich denke, er wird sich freuen. Denn wenn er uns hier so sieht in unserem Spiel-Gottesdienst, dann sieht er eine Gemeinde, die erkannt hat, wie es Gott sich schon von Anfang an gedacht hat:
Die Welt, das Leben, sie sind nicht nur zum Arbeiten da sondern auch zum Spielen.



3. Runde – „verspielte Predigt“: „Bamboleo – Schaukeln“

„Bamboleo“, so heißt das 1. Spiel, das wir heute in unserem Gottesdienst miteinander gespielt haben. „Bamboleo“ ist ein spanisches Wort und heißt übersetzt „schaukeln“ oder „wackeln“.
Ein Teil, ein Holzklotz wird weggenommen und das Brett kommt ins Schaukeln, alles gerät ins Wackeln. Solche Spiele benötigen Fingerspitzengefühl, Geschicklichkeit – ich liebe solche Spiele. Es sind spannende Spiele, das Herz beginnt schneller zu klopfen, die Hand muss ruhig bleiben, und das spiel nimmt immer wieder überraschende Wendungen.
„Bamboleo“ – ein schönes Spiel und ein Spiel, das für mich eine Art Sinnbild/Symbol für unser Leben, für unsere Welt sein kann.



1. Manchmal im Leben sind es Kleinigkeiten, die alles verändern:
- Kennt ihr das: Ihr geht durch die Fußgängerzone, plötzlich kreuzt sich euer Blick mit dem eines Menschen, der an euch vorbeigeht, ein Mensch, den ihr nicht kennt. Blicke kreuzen sich, ein Lächeln, mitten in der Fußgängerzone. Da geht plötzlich die Sonne im Herzen auf. Egal, was vorher war, dieser Tag wird ein guter Tag werden.
- Oder: Es gab einen Streit. Böse Worte sind gefallen, zwei gehen sich von da an aus dem Weg. Dann ein kleines Wort, ein einziges Wort „Entschuldigung“. Das Leben kann wie ganz neu beginnen.
Ein eckiger Spielstein, ein harter Klotz, ein kantiges Teil wird aus dem Spiel des Lebens herausgenommen. Das Leben bekommt neuen Schwung, beginnt zu schaukeln.
Bamboleo – „schaukeln“, das ist die schöne Seite. Aber es gibt auch die andere Seite: „wackeln“ – einstürzen.

2. Manchmal im Leben sind es Kleinigkeiten, die alles verändern:
- Kennt ihr das Sprichwort: Ein einziger Flügelschlag eines Schmetterlings in Südamerika kann einen Wirbelsturm am anderen Ende der Welt auslösen. So etwas Ähnliches ist in den vergangenen Tagen in Japan geschehen. Auch wenn nicht ein Schmetterling der Auslöser war.
- Ein einziger Erdstoß, kurz und heftig, eine große Welle, tausendfacher Tod und Elend.
- Ein Fehler im System, eine Kettenreaktion, nun die Atomkatastrophe, von der niemand weiß, wie sie ausgehen wird.
Ein eckiger Spielstein, ein harter Klotz, ein kantiges Teil wird herausgenommen, alles verändert sich, das Leben gerät ins Wanken, stürzt ein.
Schaukeln bis hinauf in den Himmel, Absturz auf den harten Boden der Realität – manchmal liegt beides so nah beieinander. Manchmal wissen wir nicht weiter, sehen keine Chance, keinen Ausweg. Es ist zum Verzweifeln, es droht der Ein-/Absturz.



Manchmal schaffe ich es nicht allein, brauche ich Hilfe.

Wie gut ist es, dass es im Lebens-Bamboleo noch andere, zusätzliche Regeln geben kann, als im Spiel: Da ist es auch möglich und notwendig, dass nicht nur ein Teil herausgenommen wird, sondern dass wir uns zusammentun und gemeinsam 2-3 Steine herausnehmen, gleichzeitig, mit vereinten Kräften gemeinsam Steine aus dem Weg räumen.



Das Lebens-Bamboleo braucht Fingerspitzengefühl und Zusammenspiel – und das Vertrauen, dass da einer ist, der uns wie die Kugel im Spiel hält, der unser Leben und unsere Welt in seiner Hand hält, der uns immer wieder neues Gleichgewicht gibt, der uns – wenn alles einzustürzen droht – auffängt.
Das wünsche ich euch für euer Lebens-Bamboleo:
das nötige Fingerspitzengefühl, ein gutes Zusammenspiel und das feste Vertrauen in den, der uns in seiner Hand hält.

Amen



Pfarrer Stephan Seiler-Thies

Alle Bilder des Gottesdienstes wurden von B. R. De Monte fotografiert.